Logs 3

Die Jagd geht erstmal dem Ende zu….

Der Seefunk im Bereich bis 2182 kHz schweigt, keine nautischen Warnnachrichten, keine Wetterberichte. Auf der 2182 kHz ist auch Stille. Ein Blick auf die Uhr – es ist 00:43 Uhr UTC, ich bin mitten zwischen den Hauptarbeitszeiten der Küstenfunkstellen auf dieser Frequenz. Da ist es doch eher unwahrscheinlich, dass ich hier etwas aufnehme. Also drehe ich weiter hoch, erreiche das 120-Meter-Band bei 2300 kHz und hier werde ich auch wieder einmal fündig. Denn auf 2399 kHz höre ich zunächst ein Fernschreibsignal, dem sich einfacher Sprechfunk anschließt:

Das Sprechfunkverfahren entspricht dem der NATO und das Rufzeichen (LBH) gehört eindeutig der norwegischen Marine. Es handelt sich um eine Station in Hårstadt, die aber wohl von Stavanger aus fernbedient sein dürfte. Denn die Stimme des dortigen Sprechfunkers kommt mir sehr bekannt vor; mit dem habe ich schon von Wilhelmshaven aus zusammengearbeitet. Ich trage also wieder etwas in mein Log ein:

2399,0   0048   LBH   Ny Hårstadt   NOR   J3E-U   wkg W8I, rtty-coord

Ein sehr seltenes QSO, denn zu so später Stunde ist es doch eher unwahrscheinlich, dass man solch ein Gespräch mitbekommt. Ich denke, da darf ich wohl sehr zufrieden sein.

Ich surfe also weiter über die Kurzwellen, „reise“ von 2399,0 kHz weiter aufwärts. Bei 2630,0 kHz halte ich kurz an, denn ich höre da ein Signal, das mir ein wenig merkwürdig erscheint. Doch ein Blick in meine Frequenzliste hilft mir schnell auf die Sprünge: Ich habe KIEL RADIO entdeckt. Einst war das eine deutsche Küstenfunkstelle ähnlich wie Norddeich Radio. Aber aufgrund der bereits erwähnten Modernisierung bei der maritimen Kommunikation (Satellitenverbindungen), nahm die Auslastung der Deutschen Küstenfunkstellen Norddeich (DAN), Kiel (DAO) und Rügen Radio (DHS) immer weiter ab. Nacheinander stellten diese dann ihren Betrieb ein. Aber Kiel Radio kam vor ein paar Jahren wieder zurück auf die Kurzwelle. Zum Angebot der nun rein privat betriebenen Küstenfunkstelle gehört das Emailing per Kurzwelle. Dank moderner Modem-Übertragungsverfahren für Funkverbindungen lassen sich tatsächlich Emails per POP3- bzw. SMTP-Protokoll via Kurzwelle verschicken. Die dazu notwendige Hardware ist an sich nix besonderes: Standard-PC oder Laptop reichen vollkommen aus. Man muss lediglich einen soliden Funk-Transceiver und ein passendes PTC-Modem an den Rechner anschließen und schon kann es losgehen. Ich kann nun nicht sagen, wie gut die Auslastung ist, aber offenbar kommt genug Geld herein, denn sonst könnte ich Kiel Radio heute nicht mit der Rufschleife hören:

Der Kanal ist frei und so kann man dieses Signal hören. Am Ende kommt das Zeichen CQ (an alle). Daran lässt sich die Station identifizieren. Da ich Kiel Radio identifiziert habe, mache ich wieder einen Eintrag ins Log:

2630,0   0054   DAO   Kiel Radio   D   A1A   Pactor-ID

Weiter geht die Suche nach interessanten Signalen und ich drehe weiter aufwärts. Bei 2850,0 kHz verlasse ich den Seefunkbereich und bin bei den Fliegern angekommen. Und wie ich es befürchtet habe, tauchen hier wieder die russischen Stationen in Frequenzmodulation auf. Wenn ich im normalen DX-Betrieb bin klingen diese Stationen immer wie jaulende und quietschende Gespenster – oder sowas in der Art. Klingt beinahe wie aus einem grottenschlechten Horrorfilm. Schaltet man aber am Empfänger ein wenig herum lässt sich ganz klar Russisch oder eine verwandte Sprache erkennen. So auch bei der Station, die ich jetzt laut und klar auf 2950,0 kHz empfange:

Worüber sich die Brüder da unterhalten kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass diese Stationen jeden Abend nach Einbruch der Dämmerung bis weit nach Mitternacht zwischen 2850 und 3300 kHz zu hören sind. Wer sich dahinter verbirgt weiss ich ebensowenig. Aber offenbar handelt es sich um private Gespräche zwischen beweglichen Stationen (Schiffe?), denn oft genug habe ich die Sprecher lachen gehört. Auffallend ist auch immer wieder der Begrif „Pryom“, was auf Deutsch wohl soviel wie „kommen“ oder „over“ bedeutet, also das Sprechfunksignal mit dem man an die Gegenstelle übergibt.
Doch auch wenn mir der Sinn und die Quellen der Sendungen verborgen bleiben notiere ich dieses QSO:

2950,0   0107   unid – russ. vessels?   ?   F3E   privat opchat

Im weitern Verlauf meiner Suche entdecke ich noch einige weitere Stationen dieser Art, aber ich notiere nicht alle, denn das wäre doch zu viel des Guten. Stattdessen suche ich weiter und erreiche ohne weitere „Zwischenstopps“ den Seefunk bei 4063 kHz. Mit einem Blick auf die Uhr – es ist mittlerweile 1:30 Uhr UTC, also 2:30 Uhr in Deutschland – starte ich meine Suche auf den Schreibfunk- und Tastfunkkanälen in diesem Band. Das Wetter hat sich wohl immer noch nicht beruhigt. Außer den obligaten europäischen Küstenfunkstellen kommt nix herein. Es ist echt ätzend! So langsam sinkt meine Motivation wieder, aber ich will es dennoch weiter versuchen.

Schließlich wird meine Geduld doch noch belohnt. Denn auf 4645,0 kHz empfange ich ohne Störungen den Flugwetterdienst von Tallin. Oftmals habe ich ein dickes Störsignal darüber, aber heute ist der Empfang sauber und gut verständlich. Wie auch bei den beiden anderen europäischen Kurzwellen-Flugfunkdiensten Shannon (Irland) und Upavon (England – Royal Airforce) arbeitet hier ein Computer, der die Wetterdaten digitalisiert herunterliest:

Und ich mache auch gleich wieder einen Eintrag ins Log:

4645,0   0148   Tallin Volmet   EST   J3E-U   auto-wx for Tallin Airport

Jetzt komme ich in den Bereich um die 5 MHz, da ist nachts nicht viel zu holen; zumindest nicht um diese Jahreszeit. Ich lasse den Empfänger automatisch die Frequenzen abscannen, aber es passiert nicht wirklich etwas aufregendes. Schweigen würde ich das nennen. Darum überspringe ich diesen Bereich auch geflissentlich und gehe gleich in den Seefunkbereich ab 6200 kHz. Dieses Band könnte einige Signale aus größerer Entfernung in meine Antenne bringen, aber ich werde wieder enttäuscht. Es kracht und rauscht gewaltig, und auch hier – wie schon im 4 MHz-Bereich – nur die Nachbarn aus Europa: Rom, Athen, Istanbul… Ich hadere mit mir, ob ich nicht doch jetzt abbrechen soll (es ist immerhin schon 3 Uhr in der Frühe, als 2:00 Uhr Weltzeit) oder ob ich weiter mache. Da ich noch nicht wirklich müde bin will ich die Gelegenheit nutzen und hier weiter machen.

Also verlasse ich den Seefunkbereich bei 6525,0 kHz und bewege mich nun wieder im Flugfunk. Leider dringen keine Signale von Flugzeugen oder Bodenstationen in meinen Empfänger, das frustriert. Wenigstens einer der Flugwetterdienste hätte hörbar sein können. Nichts ist zu hören.

Nur bei 6683,0 kHz höre ich ein richtig lautes Signal. Und ich traue meinen Ohren nicht, es wird Deutsch gesprochen. Das ist ungewöhnlich für diese Frequenz, denn hier sollte eigentlich die Marine in Stavanger (Norwegen) zu hören sein. Statt dessen habe ich hier tatsächlich deutsche Funkpiraten im Empfänger! Hammer! Nicht lizensierte Idioten, die sich über alle geltenden Gesetze hinwegsetzen und hier eine Rettungsfrequenz belegen und diese massivst mit ihrem privaten Scheiß zumüllen:

Es ist einfach eine Dolldreistigkeit, mit der sich diese Schwachköpfe hier herumtreiben. Geben sich irgendwelche Fantasierufzeichen und legen den normalen Funkbetrieb lahm. In diesem 20 Minuten langen Beispiel ist kein „Weißfunk“ zu hören, aber ich habe schon andere Situationen erlebt. Hoffentlich werden diese Schwachköpfe erwischt. Ich notiere jedenfalls:

6683,0   0203   German pirates   D   J3E-L  smalltalk, opchat

Weiter gehts! Ich verlasse den Flugfunk, bewege mich auf den Amateurfunkbereich um 7 MHz zu und streiche darüber hinweg. Den Rundfunkbereich ab 7100 lasse ich aus und gehe bei 7300 kHz wieder rein. Und ich muss auch nicht lange drehen, bis das nächste interessante Signal zu hören ist:

Es ist CHU und hinter dem Rufzeichen verbirgt sich die Zeitzeichenstation von Kanada in Ottawa. Erstaunlich, wie gut das Signal bei mir ankommt; gemessen an den bisherigen QSOs ist das extrem cremig. Man kann die gesprochenen Worte gut verstehen: „C H U – Canada, Coordinated Universal Time, two hours, thirteen minutes…“ (Hier im Beispiel ist es tatsächlich schon 7:13 UTC – es ist halt nur ein Beispiel!).Ein wirklich tolles QSO, wird auch gleich notiert:

7335,0   0213   CHU   TS Ottawa   CAN   J3E-U   timesynch, id, time announce

Das hat jetzt noch mal wieder einen richtigen Motivationsschub gegeben. Nun will ich noch bis zum Seefunkband bei 8 MHz durchkurbeln. Wenn hier schon Ottawa zu hören ist, was wäre denn da in dem Frequenzbereich möglich?

Wie ich es mir gedacht habe ist bis dorthin nichts weiter zu empfangen. Bei 7646 kHz ist zwar der Deutsche Wetterdienst über die Sender in Pinneberg zu hören, aber das Signal ist so schwach, dass es sich einfach nicht lohnt den Decoder einzuschalten. Ich bleibe also nicht hier stehen sondern gehe gleich weiter in Richtung Seefunk. Und es wird tatsächlich noch ein Volltreffer! Genau bei 8429,5 kHz kann ich schwach und leise – knapp über dem Rauschhorizont – eine Fernschreibschleife ausmachen, an die sich ein dreistelliges Rufzeichen anschließt: NMO

Das grenzt an eine kleine Sensation, denn ich habe tatsächlich die US-Küstenwache auf Hawaii in meinem Empfänger. Ich kann es wirklich kaum glauben, aber das Signal ist so gut verständlich, dass ein Irrtum ausgeschlossen ist. Es sind tatsächlich die drei Buchstaben November Mike Oscar, die ich da im Kopfhörer habe. Wahnsinn, was für ein Glück! Das setzt dieser doch durchwachsenen DX-Nacht ein I-Tüpfelchen auf. Schön! Ich muss es einfach notieren:

8429,5   0236   NMO   CG Honululu, HWI   USA   A1A   sitor-id

Ein wenig weiter will ich noch drehen, auch wenn jetzt so langsam aber sicher die Müdigkeit durchkommt. Knapp 20 kHz weiter finde ich noch ein interessantes weil seltenes Signal: „CQ CQ CQ DE 5AB 5AB 5AB“. Das ist Benghazi Radio in Libyen! Die hatte ich ja bisher noch gar nicht im Empfänger! Das Signal ist laut und gut zu hören, aber es herrscht starkes Fading und im Hintergrund ist auch noch ein anderer Träger zu hören. Dennoch lässt sich die Rufschleife sehr gut mitschreiben:

Das ist zu guter Letzt noch ein würdiger Abschluss für diese DX-Nacht. So mache ich um viertel vor 4ier am frühen morgen meinen letzten Eintrag:

8450,0   0245   5AB   Benghazi Radio   LBY   A1A    CQ CQ CQ DE 5AB 5AB 5AB

Nun ist es genug, zumindest für diese Nacht. Die Müdigkeit macht sich bemerkbar, mir drohen die Augen zuzufallen. Ich schalte den Empfänger aus und schließe meine Unterlagen, die ich für diese DX-Nacht benötigt habe. Ich lösche das Licht am Empfängerplatz und ziehe mich in mein Schlafzimmer zurück….