Mike Oldfield

Der Hexenmeister

Nun, jeder der mich kennt weiß, dass ich ein großer Fan von Mike Oldfield bin. Wie’s dazu kam kann ich nicht mehr genau sagen. In den hintersten Winkeln meiner Erinnerung weiß ich aber, dass ich schon früh Oldfields Debut TUBULAR BELLS gehört habe. Ich war vielleicht drei oder vier Jahre alt und es war mein Vater, der damals diese Platte besaß. Als so lütter Knirps wusste ich aber mit dem Namen Mike Oldfield ebenso wenig anzufangen wie mit dem Titel TUBULAR BELLS. So geriet dieses Werk schnell wieder in eine Art Vergessenheit und erst gute zehn Jahre später wusste ich, wer das war und um was es sich handelte. Zwar tauchten im Radio immer wieder Songs von Oldfield auf (am besten erinnere ich mich da an GUILTY, das sehr oft im WDR gespielt wurde), doch auch hier war mir der Urheber als solches nicht bekannt. Später auf der Penne wunderte ich mich dann, dass einige meiner Klassenkameradinnen in beinahe extatische Verzückung gerieten, wenn sie den Namen Mike Oldfield hörten oder sie über ihn sprachen. Es war die Zeit, als MOONLIGHT SHADOW die Hitparaden stürmte.

So kaufte ich mir dann das dazugehörige Album CRISES und lauschte. Es war für mich ein Eintauchen in eine so unglaublich faszinierende musikalische Erlebniswelt. Das Titelstück von CRISES, mit seiner Länge von knapp 20 Minuten, war eine Offenbarung: es gab eben nicht nur den kommerziellen Pop „da draußen“ sondern auch tiefgründige Musik, filigrane Songs, die Geschichten erzählen konnten.

Die nächste Anschaffung war dann der Sampler MUSIC WONDERLAND, auf denen dann so tolle Songs enthalten waren wie WONDERFUL LAND, ARRIVAL oder ON HORSEBACK. Was waren das für wundervolle Melodien, bunte Klänge, die so gut zusammenpassten, wie bei sonst keiner Musik, die ich vorher gehört hatte. Das mag jetzt überzeichnet klingen, aber für mich als Teenager war es gefühlt wirklich so. Und schlussendlich entdeckte ich auch TUBULAR BELLS wieder auf diesem Sampler. Und jetzt ging mir so langsam ein Licht auf, wessen Musik ich da hörte…

Es kam eins zum anderen: nach und nach kaufte ich alle Platten von Mike Oldfield. Selbst TUBULAR BELLS musste ich mir zulegen, denn die Platte von 1973 existierte nicht mehr in unserem Haushalt. Ich weiß nicht, wo sie hin ist, denn es wäre heute eine äußerst wertvolle Rarität – eine deutsche Erstpressung!

So habe ich seit etwa 1984 eine bis heute – relativ – komplette Sammlung von Mike Oldfield, inklusive einiger Bootlegs, die ich auf diversen Kulturveranstaltungen mit (Floh-) Markt erwarb. Und jeder Neuveröffentlichung sehe ich jedes Mal mit Spannung entgegen. So zum Beispiel dem 20. Januar 2017, als die jüngste Platte von Mike veröffentlicht wurde: RETURN TO OMMADAWN. Doch dazu später mehr.

Was fasziniert mich so an Mike Oldfield bzw. seiner Musik? Ich bewundere zuerst einmal seine wundervollen Melodien – angefangen bei den komplexen Werken wie TUBULAR BELLS, HERGEST RIDGE oder OMMADAWN bis hin zu seinen Popsongs wie MOONLIGHT SHADOW, TO FRANCE, PICTURES IN THE DARK, SHINE oder MAN ON THE ROCKS. Fast alle seine Songs empfand ich immer als sehr eingängig, weil die Melodien schon oft beim ersten Hören einen tiefen Eindruck hinterlassen haben.

Hinzu kommt die Instrumentierung seiner Musik, die Arrangements. Für mich war bis heute nahezu jeder Song in sich schlüssig. Melodien und Arrangement passten immer zusammen. Selbst SHADOW ON THE WALL, angelehnt an die Wurzeln des Heavy Metall, wies keine Schwächen in der Fusion von Melodie, Instrumentenauswahl und Arrangement auf. Gut, bei SHADOW ON THE WALL fand ich Roger Chapmans Stimme am Anfang deutlich gewöhnungsbedürftig, anders als das Organ von Maggie Reilly, Jon Anderson (YES) oder Barry Palmer (TRIUMVIRAT). Besonders ist mir dazu das 1984er Album DISCOVERY in Erinnerung geblieben. Neben der Hitsingle TO FRANCE enthält das Album so geniale Gesangswerke wie POISON ARROWS, TRICKS OF THE LIGHT, SAVED BY A BELL oder das fulminante TALK ABOUT YOUR LIFE. Wunderschöne Melodien, fantastisch arrangiert und von zwei Top Interpreten gesungen: Maggie und Barry. Alle diese Songs haben mich immer zum Mitsingen animiert – sehr zum Leidwesen meiner Mitmenschen. Da bin ich ein wenig wie Mike Oldfield: „Well, I really have a terrible singing-voice…“

Man mag über Oldfield urteilen wie man will, aber er ist unbestreitbar einer der großen Musiker des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Seine Vielseitigkeit, vor allem im Hinblick auf die Anzahl der Instrumente, die er selbst spielt, ist erstaunlich. Denn er lieferte sowohl symphonische Werke (OMMADAWN oder MUSIC OF THE SPHERES) ab als auch wundervolle Popsongs (SHINE, THE TIME HAS COME oder MAN IN THE RAIN). Er scheute ebenso nicht davor zurück, sich der überwiegend elektronischen Musik mit Computer-Unterstützung zuzuwenden, ging mit seinem nächsten Album wieder in Richtung Folk zurück. „Unstetigkeit“ oder „Der weiß nicht, was er will!“ waren häufige Kritikpunkte. In meinen Augen aber lediglich der Unbeweglichkeit von selbst ernannten Musikjournalisten geschuldet, die schlicht nicht begreifen wollten, dass der „Hexenmeister“ einfach das machte, wozu er Lust hatte. Dafür darf dann zum Beispiel eine Katy Perry hemmungslos bei The Art Of Noise klauen…? Aha, soviel dazu.

Natürlich bin ich nicht unkritisch gegenüber Mike Oldfield. Beispielsweise halte ich es für ungeschickt nach dem 1973er Debutalbum TUBULAR BELLS diesen Titel für zwei weitere Produktionen zu verwenden (TUBULAR BELLS II von 1992, TUBULAR BELLS III von 1998 und zu einem gewissen Teil auch THE MILLENNIUM BELL von 1999). Klingt und wirkt ein wenig zu sehr wie Marketing der jeweiligen Plattenfirmen bzw. Musikverlage. Sicherlich, bei den verwendeten musikalischen Annäherungen an sein Erstlingswerk von 1973 erscheint das passend. Aber da wären auch andere Titel sicherlich sinnvoll gewesen, ohne den Blick in Richtung 1973 zu trüben. Spontan würden mir für das 1992er Album THE JOURNEY OF THE BELLS einfallen oder THE MORNING BELLS für die Veröffentlichung von 1998.

Schließlich hat Mike ja nun auch, nach über 42 Jahren, 2017 die Brücke von OMMADAWN zu RETURN TO OMMADAWN geschlagen. Und hier passt diese Titelvariation auch, denn RETURN TO OMMADAWN (RTO) ist eine Rückkehr zu den Anfängen seines musikalischen Schaffens. Aber auch eine Rückkehr zu sich selbst, wie er in verschiedenen Interviews erklärte. Und das nicht nur persönlich sondern auch verborgen im Titel der beiden Alben: OMMADAWN ist dem gälischen Begriff „amadán“ entlehnt, der frei übersetzt so viel wie „Narr“ oder „Dummkopf“ bedeutet. Wertet man dann nämlich Mikes Rückkehr zu seinen musikalischen Frühwerken kehrt er also zu seinen musikalischen „Narreteien“ zurück. So oder so hier ein sinnvolles Wortspiel. Dagegen wirkt die fortlaufende Nummerierung der „Röhrenglocken“ eher etwas lieblos.

Ein ähnliches Wortspiel hat Mike mit seinem Album AMAROK gewagt (ja, zufälligerweise mein Nickname im Internet, aber das hatte seinerzeit nicht direkt mit Mike Oldfield zu tun!): Der Begriff AMAROK kommt ursprünglich aus der Sprache der ostkanadischen Inuit, dem Inuktitut (amaroq oder amaruq), und bezeichnet dort einen Riesenwolf aus der Mythologie der Eskimos. Ein verwandtes Wort ist das irisch-gälische „Amárach”, was so viel wie „morgen“ oder „der Morgen“ bedeutet. Mike hat selbst einmal in einem Interview erklärt, man könnte das Wort Amarok so aufteilen, dass es sich „Am-a-rok“ liest – ich bin ein Fels. Eingedenk der Zeit, zu der AMAROK produziert wurde, ist dies als ein Wink in Richtung Management von Virgin Records, seinem damaligen Verleger, zu verstehen. Virgin wollte populäre kommerzielle Nummern von Oldfield, was ihm aber sichtlich widerstrebte. „I am a rock“ – ich mache, was ich möchte. So entstand AMAROK und es ließ sich kein Teil daraus als Single auskoppeln, war also weitaus weniger kommerziell zu vermarkten als Vorgänger wie EARTH MOVING oder ISLANDS. AMAROK war dann das vorletzte Album, das Mike als Bringschuld bei Virgin abzuliefern hatte.

Natürlich lassen sich weitere Wortspielereien in die diversen Titel von Mikes Alben hineininterpretieren (z. B. CRISES von 1983, als ihm die kommerzielle Fahrtrichtung, die ihm durch sein Label vorgegeben wurde, bereits nicht schmeckte und er sich in einer Krise fühlte). Da wird sicherlich das eine oder andere von richtig sein. Aber solche Spekulationen lenken eigentlich zu sehr von Mikes kompositorischem Gesamtwerk ab.

Ja, ich bin da sicherlich voreingenommen, was jedwedes Werk und Schaffen von Mike Oldfield betrifft. Dennoch bin ich der Ansicht, dass ein Musiker, der seine Werke nicht um des kommerziellen Erfolges Willen schreibt, eine sachliche Kritik verdient hat. Vor allem von Rundfunksendern, die den Begriff „Kultur“ im Namen führen. Da reicht ein lapidares „Mystisches Gedudel von Mike Oldfield“ einfach nicht aus, zeigt es doch, dass der betreffende Autor nicht genügend Zeit hatte, sich das rezensierte Werk genauer zu Gemüte zu führen. Schade, aber Ziel verfehlt, setzen, sechs! Denn dann wären filigrane Melodien aufgefallen, die variiert werden, wie es einst Mussorgski oder Ravel vormachten und wie es Philip Glass bis in heutige Schaffenszeiten übertragen hat. Naja, liebes Kulturradio, Hauptsache die Rapper fluchen unter der Gürtellinie und Jazzpiano-Riffs werden als Indiepop verkauft…

Ja, man kann über Mike Oldfield diskutieren, wie über jeden anderen Künstler auch – und jede andere Künstlerin. Ich bin Fan vom Hexenmeister (der Begriff stammt noch aus den 1980er bzw. frühen 1990er Jahren und wurde von einem Musikjournalisten geprägt, ich weiß aber nicht mehr, wer das war, habs nur gelesen) und werde ihm auch weiterhin die Treue halten – mit einem freudigen und einem kritischen Auge. Jetzt freue ich mich aber – dennoch – auf das angekündigte TUBULAR BELLS 4…

Bis es soweit ist kann ich Euch vielleicht mit einem kleinen Machwerk meinerseits  vertrösten. Keine Sorge, ich singe nicht!

Über die Jahre habe ich mir mein eigenes kleines Songbook gebastelt. Es lag sehr lange auf meiner Festplatte herum und als es hieß, RETURN TO OMMADAWN kommt auf den Markt habe ich mich da mal wieder dran zu schaffen gemacht.

Die SOngtexte habe ich allesamt von den Booklets, Sleeves und aus dem Internet zusammengesucht und eingepflegt. Fehler können natürlich noch vorhanden sein, keine Frage.

Die verwendeten Bilder stammen überwiegend aus dem Internet (FACEBOOK, UNIVERSAL MUSIC, TUBULAR.NET usw. ). Ich hoffe, dass das soweit okay ist, ich will ja kein Geld damit machen, sondern nur das Songbook „aufhübschen“.

Jeder darf das PDF gerne verwenden und auch drucken. Es sind 64 Seiten und die PDF-Datei ist 4,5 Megabyte groß.

Mike Oldfield – Songbook