Profi

Profi: See- und Bunkerfunker

Ein weiterer wichtiger Schritt auf meinem Weg über die Kurzwelle war der Schritt zum Berufsfunker. Das resultierte nun daraus, dass ich mich zum freiwilligen Dienst in der Marine meldete und gleich einen Vertrag für vier Jahre unterschrieb. Und ich schlug die Laufbahn des Funkers ein. Meine Grundausbildung fand im ersten Quartal des Jahres 1989 statt. Neben der „grünen Ausbildung“, also Gefechtsdienst, Marschieren, Zelten usw., wurden wir auch schon in Morsen unterrichtet. Täglich mehrmals saßen wir in einem Raum, Kopfhörer auf den Ohren und schrieben mit, was da aus den Hörern piepste. Zunächst noch mit der sensationellen Geschwindigkeit von vier Wörtern pro Minute (WPM). Dieser Maßeinheit liegt das gemorste Wort PARIS zugrunde, als Morsecode sieht das so aus:
morseparis
Und vier Mal pro Minute dieses DITDAHDAHDIT DITDAH DITDAHDIT DITDIT DITDITDIT entspricht der Geschwindigkeit von 4 WPM. Ja, die Punkte und Striche werden von den Funkern auch liebevoll mit DIT und DAH betitelt.

Abbildung 1: HAGENUK RX1001M, 9 kHz -30 MHz.

Abbildung 1: HAGENUK RX1001M, 9 kHz -30 MHz.

Nun, wir hörten also fleißig, was uns da „übermittelt“ wurde. Ich weiß nicht, wie viele Kilo an Papier wir da vollgekritzelt haben. Während der Ausbildung wurde langsam die Geschwindigkeit erhöht, so dass wir mit zehn bis 12 WPM aus der Grundausbildung entlassen wurden und uns auf den Fachlehrgang 1 (F1) nach Flensburg begeben konnten. Dort wurde dann sowohl das Morsehören als auch das ebenfalls in der „Grundi“ begonnene Fernschreibmaschine-Schreiben fortgesetzt. Neu waren dann die reinen theoretischen Unterrichte über Fernmeldeorganisation (wer macht wo was und wer ist dafür verantwortlich), Fernmeldeverfahren (wie sehen Fernschreiben aus, wie wird das Betriebsbuch geführt), Gerätekunde (wie funktionieren Sender, Empfänger, Tastgeräte, Antennen, Filter usw. Abbildung 1 zeigt einen Empfänger Typ Hagenuk RX1001), Englisch (die Sprache der Funker ist nun mal Englisch). Und endlich durften wir dann auch mal selbst an der Morsetaste sitzen und „klappern“. Denn jetzt ging es auch darum, selber Morsezeichen zu geben. Ist gar nicht so einfach, denn DITs und DAHs sind genormt – was ist in Europa eigentlich nicht genormt? Punkte und Striche dürfen jedenfalls nur bestimmte Längen haben. Auch die Abstände zwischen den einzelnen Zeichen und auch zwischen den einzelnen Wörtern sind international standardisiert. Und das wurde uns nun beigebracht. In diesen sechs Monaten in Flensburg lernten wir hören und geben mit Geschwindigkeiten bis zu 20 WPM. Eine Geschwindigkeit, die ich heute kaum noch hören kann; ich müsste erst wieder üben. Ja, man kann das verlernen. Leider!

Nach der Ausbildung ging es dann an Bord und ich erhielt mein erstes Rufzeichen: DRBW. Es gehörte zum Flugkörper-Schnellboot S 63 GEIER, Albatros-Klasse (143), 2. Schnellbootgeschwader, damals noch in Kappeln-Olpenitz. Natürlich war dieses Rufzeichen nicht wirklich oft zu hören gewesen, denn es herrschte seinerzeit noch der Kalte Krieg und die Marine war noch rein auf die Verteidigung in Nord- und Ostsee ausgerichtet. Somit war alles hochgradig verschlüsselt.

Zwischenzeitlich war ich dann noch für drei Monate in Plön an der Marineunteroffizierschule, um dort meinen militärischen Teil zum Unteroffizier zu lernen. Im April 1990 war ich dann Maat, Unteroffizier der Marine.

Aus gesundheitlichen Gründen ging es Ende September 1990 für mich von Bord und zur Marinefernmeldegruppe 21 nach Wilhelmshaven. Im dortigen Fernmeldezentrum arbeitete ich dann im Schichtdienst und hatte zunächst den Tastfunk zu betreuen. Von dort aus war ich dann mit meinen Kameraden unter dem weltbekannten Rufzeichen DHJ59 zu hören. Weltbekannt deswegen, weil man uns bis Nord- und Südamerika, ja sogar bis nach Australien hören konnte. Der Dienst war ein sogenannter Broadcast, ein Rundstrahldienst von Wilhelmshaven an alle Einheiten in See. Und da Morsezeichen noch wesentlich weiter entfernt verstanden werden können als Sprechfunk kamen Empfangsberichte von begeisterten Kurzwellenhörern aus aller Welt in Wilhelmshaven an. Jeder kannte die typische Rufschleife unseres GOLF DREIUNDZWANZIG BRAVO (G23B), die immer dann gesendet wurde, wenn keine Sprüche vorlagen (Beispiel):

VVV VVV VVV G23B G23B DHJ59/1/2/4/6/7/11/13
VVV VVV VVV G23B G23B DHJ59/1/2/4/6/7/11/13

Leider habe ich selbst kein Tondokument mehr aus dieser Zeit. Aber in Rainer Brannoltes virtuellem Museum der sogenannten Utility-Funkdienste gibt es einige Aufnahmen unseres G23B. Und so klang das damals (hier eine Aufnahme aus 1986):

Bei DHJ59 arbeitete ich dann auch in der Betriebsart Sprechfunk. Somit war meine Stimme endlich auch auf der Kurzwelle zu hören. Ich habe hier ein Beispiel aus dem Jahr 1997, wo ich (ja, ich bin’s wirklich!!!) eine unbekannte Station rufe, weil ich der Meinung war, dass uns jemand gerufen hätte. Mein Dank geht auch für dieses Tondokument an Rainer Brannolte, der diese Aufnahme seinerzeit gemacht hatte.

Ich lernte in Wilhelmshaven hier viel über Fernschreibtechnik, was es mit Abkürzungen wie FEC, ARQ oder FARCOS auf sich hatte und so weiter. Irgendwann ging es dann zur Bootsmannsausbildung, zunächst wieder drei Monate nach Plön und anschließend wieder ein halbes Jahr nach Flensburg. 1999 war ich dann fertig mit der Ausbildung und ging wieder in die Truppe. Diesmal verschlug es mich zu den Marinesicherern (den 76ern!) nach Glückstadt. Schöne Kaserne, die mittlerweile leider geschlossen ist. Ich fahre heute noch ab und zu an der Liegenschaft vorbei und da schmerzt es schon, diese alte Wirkungsstätte vor sich hingammeln zu sehen…. Aber ich schweife ab!

Ich kam also zum Marinesicherungsregiment. Dort hatte ich zunächst gar nichts mehr mit Funk zu tun, sondern wurde als IT-Bootsmann eingesetzt. Ich betrieb Netzwerk- und Lotus Notes – Administration und war Ansprechpartner für IT-Probleme aller Art. Erst als uns zwei mobile HF-Funktrupps auf LKWs zugesprochen wurden ging es wieder in den Äther. Dort arbeitete ich dann mit dem Rufzeichen DHM78. Aber leider nicht sehr lange. Wir waren, glaube ich, insgesamt nur fünf Mal auf Sendung, danach wurden die Laster abgesteuert. Und es ging zurück an die IT-Arbeit.

Abbildung 2: Der Wachleiterplatz bei DHJ59, hier auf der 2182,0 kHz

Abbildung 2: Der Wachleiterplatz bei DHJ59, hier auf der 2182,0 kHz

2002 ging es dann zum dritten Mal wieder zu DHJ59. Diesmal war ich der Funkmeister und hatte Unteroffiziere und Mannschaften unter mir. War richtig schön, wieder mal das Mikro in der Hand zu halten. Abbildung 2 zeigt den Wachleiterempfänger mit der dazugehörigen Überleiteinrichtung, mit der Telefongespräche von Land an See vermittelt werden konnten. Aber das war nur eine der Aufgaben bei uns. Wir hatten dafür zu sorgen, dass alle Einheiten in See rechtzeitig die für sie bestimmten Sprüche erhielten. Dann hatten wir Sprüche von den Dampfern entgegenzunehmen und an die vorbestimmten Empfänger weiterzuleiten. Außerdem kümmerten wir uns um die Flieger vom Typ Breguet Atlantic 1150 aus Nordholz. Über uns setzten diese ihre Sprüche ab und gaben an uns ihre Statusmeldungen, damit wir sie nach Nordholz weiterleiteten.

Abbildung 3: Der Wachleiterplatz. Ich bin der Hoschi in blau...

Abbildung 3: Der Wachleiterplatz. Ich bin der Hoschi in blau…

Aber es machte sich in Wilhelmshaven mittlerweile ein Trend bemerkbar, der nun rasend schnell fortschreitet. Die moderne IT in Form von Großrechner-Anlagen und Netzwerken hatte Einzug in die Marinefunkerei gehalten. Moderne digitale Betriebsarten, die kaum noch als Funkübertragung zu identifizieren sind, lösten das gute alte Quietschen und Trillern ab, mit dem die Marine noch in den 1990ern gearbeitet hatte. Unsere modernen Kommunikationsanlagen suchen sich inzwischen selbst die beste Verbindung zu unseren Einheiten in See, egal wo. Einen Teil davon kann man in Abbildung 3 sehen; der in den blauen Klamotten bin ich!

Inzwischen sind die Tage von DHJ59 gezählt – das Rufzeichen ist seit Ende März 2013 aus dem Äther verschwunden. Denn das dazugehörige Fernmeldezentrum ist geschlossen, die Besatzung abgezogen und teils anderswo in der Marine untergekommen. Ich weiß nicht, was heute in den ehemaligen Funkräumen untergebracht ist – es sind jedenfalls keine Empfänger, Computer und Antennensteuerungen mehr. Einzig DHJ58, das Fernmeldezentrum in Glücksburg, ist noch „on air“ und bemannt. Pardon, es heißt ja nicht mehr Fernmeldezentrum sondern Führungsunterstützungszentrum. Und wir Funker sind heute auch keine Funker mehr sondern Führungsunterstützer. Es ist ein allgemein gültiger Satz unter Soldaten, der eben auch hier zutrifft: „Nichts ist so beständig wie die Veränderung!“

Aber auch die Tage von DHJ58 sind wohl vorerst gezählt. Nach den Reformplänen der Bundeswehr aus dem Jahr 2011 ist der Funkbetrieb aus Glücksburg bald vorbei. Die Führungsunterstützung der Marine soll in Zukunft, ab ca. 2020, zentral aus Rostock betrieben werden. Unter welchem Rufzeichen weiß wohl noch keiner so richtig. Aber eines weiß ich wohl: Ich werde vorerst nicht mehr als Funker, pardon, Führungsunterstützer, arbeiten. Denn, sind wir mal ehrlich: Vor einem Bildschirm sitzen und wie ein dressierter Affe Knöpfchen drücken ist keine echte Funkerei mehr – nicht für jemanden, der noch mit Morsetaste und Fernschreiber gearbeitet hat…

Daher vom Beruf wieder zum Hobby: Im nächsten Abschnitt möchte ich Euch ein paar einfache Grundlagen der Kommunikation per Funkwellen unterhalb von 30 Megahertz (MHz) erklären, also über Lang-, Mittel- und Kurzwelle. Alles oberhalb von 30 MHz finde ich persönlich nicht so interessant, darum gehe ich darauf an dieser Stelle auch nicht ein. Und später gehen wir dann auch gemeinsam auf Senderjagd, versprochen.